Werte Leserinnen und Leser,
in den letzten Jahren erlebte der Immobilienmarkt eine Sondersituation nach der anderen.
Nach langen Jahren der Stagnation im Wohnungsbau erfolgte im Wohnimmobilienmarkt spätestens ab der Krise 2009 und im Zusammenhang mit der Niedrigzinspolitik der EZB ein rasanter Ausschwung.
Die Flüchtlingskrise 2015/16 brachte einen erheblichen Zustrom auf der Nachfrageseite (Miete) vor allem in günstigen und mittleren Preissegment. Dieser Bedarf ist bis heute noch nicht gedeckt. Welche Folgen der Krieg in der Ukraine hat, ist derzeit nicht absehbar, jedoch ist davon auszugehen, dass mehrere hunderttausend Menschen wohl in den nächsten Jahren in Deutschland mit Wohnraum versorgt werden müssen.
Auf der Angebotsseite besteht jedoch weiterhin Knappheit an Bauflächen, Personalkapazitäten bei Baufirmen und Knappheit bei unterschiedlichsten Baumaterialien. Dies und die hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien haben die Preise für Grundstücke und Wohnimmobilien in den letzten Jahren sehr stark ansteigen lassen.
Von Anlegern und Eigennutzern werden heute Preise und Lagen akzeptiert, die vor Jahren wohl eher im Reich der Fantasie angesiedelt worden wären. Anleger sind aktuell bereit Renditen auf einem niedrigen Niveau anzunehmen und das bei (vor allem im Neubau) hohen Marktmieten.
Bei vielen Angeboten von Wohnimmobilien scheint mittlerweile nur noch die Geschwindigkeit der Kaufzusage das einzige Kriterium zu sein. Ein kritische Objektprüfung auf eine längerfristige Beständigkeit der Parameter erfolgt oft eher nicht.
Betrachtet man den Vermietungsmarkt ist aus unserer Sicht folgendes anzumerken:
In etlichen Objektlagen werden Wohnungen und zu Preise vermietet gebaut, die unseres Erachtens nicht zum Mietklientel passt. Auch wenn viele Wohnungen sich aktuell zu hohen Mieten vermieten lassen, dürfte die Frage sein, ob bei gegebenen Kaufkraftverhältnissen in bestimmten Stadt- oder Objektlagen diese Mieten dauerhaft erzielbar sind. Aus meiner Sicht ist nicht zu unterschätzen, dass besserverdienende Haushalte bereits heute wählerisch sind und ggfs. für bessere Lage und/oder Ausstattung bereit sind mehr zu bezahlen. Jedoch funktioniert diese Rechnung nicht umgekehrt, Selbst wenn der Mietpreis sinkt, werden vielen Objekte oder Lagen von dieser Klientel nicht nachgefragt.
Wenn also das Mietangebot nicht mittelfristig zur kaufkraftmäßigen vorhandenen Nachfrage passt, wird man in der Vermietung irgendwann ein Problem haben. Die, die man haben möchte bekommt man nicht. Die Nachfrager, die sich im Gebiet für die Wohnimmobilie interessieren, können sich das Angebot nicht leisten. Aus meiner Sicht ist die Gefahr, dass die Angebotsmiete nach unten unter Druck kommt relativ hoch.
Wenn man dann zu niedrigen Renditen bei einer hohen Erstvertragsmiete gekauft hat, dürfte die das Risiko hoch sein, mittelfristig Einnahmen zu erzielen, die unter der Planrendite liegen. Welche Folgen dies für die Kalkulation des Erwerbers und/oder für die Erwartung eines Wiederverkaufspreises hat, kann man sich ausrechnen.
Der Immobilienmarkt zeigte in den letzten Jahren teilweise steil nach oben, man sollte aber bei der persönlichen Kalkulation auch berücksichtigen, dass sich Rahmenbedingungen (CO2 Preis, Sanierungserfordnisse, Abkehr von fossilen Energien, Elektrofahrzeuge usw.) ändern können, die finanziellen Herausforderungen mit sich bringen. Auch der Niedrigzins wird vermutlich nicht dauerhaft so beibehalten werden (können), so dass sich die Zinsen auch deutlich nach oben verändern können.
Aktuell zeigen sich bereits Veränderungen auf dem Markt. Das Zinsumfeld ändert sich, es ist von steigenden Zinsen auszugehen, was sich klar auf die Finanzierbarkeit von Objekten und damit auf das akzeptierte Preisniveau auswirken dürfte. Erste Projektentwickler nehmen Prognosen zurück und verweisen auf Unsicherheiten. Das Mieten in vielen Regionen haben Höhen erreicht, die mittelfristig wohl eher auf eine Stagnation oder sogar leichte Absenkungen hindeuten. Nicht zu vergessen ist vor allem auch der psychologische Hintergrund vieler Kaufentscheidungen. Neben dem Sicherheitsaspekt gehen vielen Anleger von Wertsteigerungen (zumindest nominal) aus. Was passiert, wenn die Mehrheit der Anleger fallende Preise erwartet, konnte man um die Jahrtausendwende sehen, als Immobilien längere Zeit teilweise "unverkaufbar" oder zumindest weit unterbewertet veräußert wurden.
Schönen Tag!
Markus Kestler
Kommentare
Kommentar veröffentlichen